15.02.2021

Unsere Fabriken lernen jeden Tag


Ein Jahr lang ist Dr. Ralph Fürderer als Chief Technical Officer in seiner Rolle bei der Hager Group. Zeit genug, um das Unternehmen, die Aufgabe und auch die Menschen um sich herum kennen zu lernen. Im Interview erzählt er über seinen Start und auch über Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz und lernende Unternehmen.


Lassen Sie uns ein wenig konkreter auf Ihre Rolle und die damit verbundenen Aufgaben blicken. Als Chief Technical Officer treiben Sie den Umbau der Hager Group zu einem Unternehmen im Industrie 4.0-Modus voran. Worum genau geht es dabei?
„Industrie 4.0 bedeutet für uns nicht nur die punktuelle Einführung neuer Technologien im Herstellungsprozess wie Additive Verfahren, kollaborative Roboter oder interaktive Datenbrillen. Es gilt vielmehr, unsere Systeme und Maschinen miteinander zu verbinden und den digitalen Informationsfluss nahtlos mit der Realität der Produktionsprozesse zu verbinden.

Unser Hauptziel ist es, sichtbaren Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen – sei es durch schnellere Produktion und Just-in-time-Belieferung, effizientere Produktionsprozesse, individuellere Lösungen und wettbewerbsfähigere Kosten. Gleichzeitig steigern wir unsere Gesamteffizienz. Industrie 4.0 steht also für zufriedenere Kunden und erhöhte Effizienz – und damit unterm Strich für einen spürbaren Wettbewerbsvorteil.“

Wo sind bei der Hager Group denn bereits konkrete Industrie 4.0-Anwendungen im Einsatz?
„An vielen sehr zentralen Knotenpunkten. Unter anderem vernetzen wir uns mit externen Dienstleistern und Partnern über gemeinsame Cloud-Plattformen, während intern unsere Werkzeuge, Maschinen und Systeme in Echtzeit Daten austauschen. KI-Funktionen analysieren unsere Bedarfe an Ersatzteilen und bestellen selbsttätig entsprechende Mengen, vernetzte Tablets unterstützen die vorbeugende Instandhaltung. In Zukunft wird BigData-Analytik rechtzeitig Wartungsaktivitäten auslösen, bevor es überhaupt zu Verzögerungen oder Stillstand kommt.

Immer wieder ist in diesem Zusammenhang auch von der „Lerndenden Fabrik“ zu lesen. Was können wir darunter verstehen?
„Unsere „Lernenden Fabriken“ basieren auf einem nahtlos digitalisierten Fertigungsprozess. Er beginnt bei der Bereitstellung des Rohmaterials und reicht bis hin zum fertigen Produkt. Menschen, maschinelle Einrichtungen und Systeme durch modulare Geräte und IoT-Komponenten miteinander verbunden. Mit diesen intelligenten Geräten und KI-Applikationen können Industrieanlagen ihre Prozesse kontinuierlich optimieren. Wir tun dies, indem wir permanent Prozessdaten sammeln und in kürzester Zeit intelligent auszuwerten, sodass wir unsere Verfahren permanent optimieren und unsere Kunden bestmöglich bedienen können.“

Und gibt es hier schon Erfahrungswerte in der Hager Group?
„Wir bei der Hager Group arbeiten an diesen Themen bereits seit einigen Jahren. Mit unserem Industrie 4.0-Projekt „Werkzeugmanagement“ zählten wir 2014 zu den Pionieren in unserer Branche. Schon damals realisierten wir eine vertikale und horizontale Integration von Maschinen, Sensoren, Prozessen und Systemen. Dieses Projekt bildete die Basis für die heutige digitale Industrie 4.0 Anwendungs-Architektur in der Hager Group. In den letzten Jahren haben wir unsere Fertigungsprozesse kontinuierlich weiter digitalisiert und an den verschiedenen Produktionsstätten vernetzt.“

Das klingt nach einer ebenso komplexen wie weitreichenden Aufgabe.
„Das ist sie auch, und wir bewältigen sie ja auch nicht allein. Vielmehr setzen wir bei Weiterentwicklung und Forschung auf Partnerschaften mit hervorragenden Forschern und Start Up-Unternehmen. Zu den bereits laufenden oder in Vorbereitung befindlichen Vorhaben zählen beispielsweise das „SUITE“-Projekt über die adaptive Unterstützung auf der Basis künstlicher Intelligenz (gemeinsam mit dem Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz), das „Flexchain“-Projekt zur Bereitstellung von Flexibilität für Netze auf Verbraucherseite (u.a. zusammen mit dem August-Wilhelm Scheer-Institut und den Stadtwerken Saarlouis), sowie unsere Bewerbung beim Bundeswirtschaftministerium für das Projekt „ELIAS“ zur automatischen Verbindung von Elektrofahrzeugen mit Ladeinfrastruktur (u.a. zusammen mit dem EastSideFab, dem Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz und der HTW Saar).

Denn klar ist: Gemeinsam können wir sehr viel mehr erreichen. Und genau so, wie unsere Produktionsprozesse tagtäglich Informationen sammeln und Daten zu Wissen verarbeiten, tun es auch wir selbst. Unser Ziel ist nicht (nur) die lernende Fabrik, sondern das lernende Unternehmen.“

Dr. Ralph Fürderer:
Als Chief Technical Officer leitet Ralph Fürderer die Bereiche Engineering und Produktion bei der Hager Group. Zusätzliche Verantwortung trägt der promovierte Wirtschaftswissenschaftler für die Themen Logistik und Qualität im Unternehmen. Vor seiner Zeit bei der Hager Group arbeitete Ralph Fürderer in leitender Position für Unternehmen aus der Automobil- und Eisenbahnindustrie in Europa, den USA und Asien.

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