Zertifizierungen für nachhaltiges Bauen:
Ein Überblick

Green buildings

Rund 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen und etwas mehr als 30 Prozent des gesamten Energieverbrauchs sind auf den Gebäudesektor in Deutschland zurückzuführen. Das sind zwei der Gründe, warum die Nachhaltigkeit von Gebäuden immer mehr an Bedeutung gewinnt. Zertifizierungssysteme sollen dabei helfen, von der Planung bis zu einem möglichen Rückbau Nachhaltigkeitsziele zu formulieren – und diese umzusetzen.


Weltweit gibt es inzwischen verschiedene dieser Zertifizierungen für nachhaltige Gebäude. Die wichtigsten stellen wir in einem kurzen Überblick vor. 


Warum Zertifikate für nachhaltige Gebäude?

Der Gebäudesektor muss nachhaltiger werden. Das ist spätestens seit dem „2020 Global Status Report for Buildings and Construction“ von den Vereinten Nationen und der Global Alliance for Buildings and Construction ist das deutlich: Weltweit ist der Gebäudesektor inklusive des Bauwesens für 38 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.

Growing plants

 

Laut Internationaler Energieagentur (IEA) müsste der direkte Ausstoß der klimaschädlicher Treibhausgase von Gebäuden und der indirekte Ausstoß des Bauwesens bis 2030 um 50 bzw. 60 Prozent sinken. Nur so lässt sich das Ziel eines CO2-neutralen Gebäudebestands bis 2050 erreichen.


Zertifizierungen für die Nachhaltigkeit von Gebäuden sollen deshalb Hilfestellung geben. Seit dem Beginn der 1990er Jahre ist die Zahl der Zertifizierungssysteme immer weiter gestiegen, weltweit haben sich inzwischen über 40 etabliert

 


Neue Rechtsrahmen für Gebäudestandards

Gesetzesinitiativen stellen in Sachen Nachhaltigkeit immer wieder neue Standards auf. Die EU-Richtlinie für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) zum Beispiel tut genau das bereits seit 2003, seither wurde sie mehrfach geändert und ergänzt, eine weitere Überarbeitung wird seit 2021 entwickelt. Für Investoren, Bauherren, Planer und Architekten bedeutet das steigende Anforderungen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die wachsende Bedeutung von unabhängigen Zertifizierungssystemen.


Denn sie geben umfassende Hilfestellungen, um beim Bau oder beim Sanieren von Gebäuden zentrale Nachhaltigkeitsziele in allen relevanten Bereichen zu realisieren. Mehr noch: Sie dienen als kontinuierliche Qualitätskontrolle und stellen sicher, dass die geforderten Standards tatsächlich eingehalten werden.


Höchste Ansprüche an die Nachhaltigkeit 

Vielfach gehen die Anforderungen der Zertifizierungssysteme sogar über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Die Gebäude müssen dann höhere Ansprüche erfüllen, um mit einem Zertifikat ausgezeichnet zu werden.

Dabei betrachten die Zertifizierungssysteme in der Regel den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes – vom Bau über den Betrieb bis zum Rückbau. Ein wichtiger Aspekt in allen Systemen ist auch die elektrische Infrastruktur, die im Hinblick auf Effizienz, Komfortgewinne und verwendete Materialien überprüft wird.

Wir stellen drei der führenden Systeme vor.

Electric car charging station

BREEAM: Der Vorreiter aus Großbritannien

Bereits seit 1990 kommt die Building Research Establishment Environmental Assessment Method zur Anwendung und ist damit das älteste Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen. Ursprünglich in Großbritannien entwickelt, ist BREEAM längst zu dem am weitesten verbreiteten Zertifikat geworden. Es wird in mehr als 70 Ländern vergeben.


Nach einer umfassenden Überarbeitung im Jahr 2008 wird mit diesem System ebenfalls der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet, seit 2016 ist der TÜV SÜD der exklusive Lizenzpartner für den D-A-CH-Raum.

Logo Breeam

Was wird bewertet?

Das BREEAM-Zertifikat kann für Sanierungen und Neubauten angewendet werden. Es gilt für Büros, öffentliche Gebäude, Wohnhäuser, Siedlungen sowie für Industriebauten und deckt damit ein breites Spektrum unterschiedlicher Gebäudearten ab.

 

Insgesamt umfasst das Zertifikat 10 Beurteilungskategorien:

 

Management
Energie
Wasser
Landnutzung und Ökologie
Gesundheit und Wohlbefinden
Transport
Material
Umwelt
Abfall
Innovation

Wie wird bewertet?

Für die einzelnen Kategorien werden im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens Prozentpunkte (auf einer Skala von 0 bis 100) vergeben. Diese werden abschließend addiert, woraus sich die Gesamtwertung ergibt.

 

Sie entscheidet über den Exzellenzgrad, der dem betreffenden Gebäude verliehen wird. Für Neubauten gibt es insgesamt fünf, für Bestandsgebäude sechs dieser Grade:

 

Ausreichend 
Befriedigend 
Gut
Sehr gut
Exzellent
Herausragend


LEED: Gebäudezertifizierung aus Amerika

Das LEED-Zertifizierungssystem (Leadership in Energy and Environmental Design) wurde 1998 zunächst für den US-amerikanischen Raum entwickelt. Als Grundlage diente das britische BREEAM-Zertifikat. Mit LEED Canada gibt es seit 2002 eine auf Kanada zugeschnittene Version, die die dortigen klimatischen Bedingungen, Bauweisen und Landesgesetze berücksichtigt.


Beide Systeme werden ständig weiterentwickelt. Verantwortlich hierfür sind der United States Green Building Council (USGBC) und der Canada Green Building Council (CaGBC).

Logo Leed

Was wird bewertet?

Von Neubauten und Sanierungen, über Investorenmodelle und Bestandsgebäude bis hin zu ganzen Gemeinden reicht das Spektrum der LEED-Zertifizierung. 
Betrachtet werden 8 Themenfelder:

 

infrastrukturelle Einbindung des Standortes
Grundstücksqualitäten
Wassereffizienz
Energie und globale Umweltwirkungen
Materialkreisläufe und Ressourcenschonung
Innenraumluftqualität
Innovationen
Boni für Kriterien, die standortbedingt von besonderer Bedeutung sind

Wie wird bewertet?

Das LEED-Zertifikat beruht auf einem Punktesystem, die in den genannten Kategorien vergeben werden. Anhand der Punktzahl werden die beurteilten Gebäude in vier unterschiedliche Stufen eingeteilt:

 

Zertifiziert (40 bis 49 Punkte)
Silber (50 bis 59 Punkte)
Gold (60 bis 79 Punkte)
Platin (80 bis maximal 110 Punkte)

 

Zertifizierungsverfahren und Konformitätsprüfung sind auch auf Projekte in anderen Ländern übertragbar. Die Green Business Certification Inc. Europe (GBCI) führt diese im Auftrag des USGBC für den europäischen Raum durch.


DGNB: Deutsches Zertifikat für nachhaltiges Bauen

Die deutsche Auszeichnung für nachhaltige Gebäude wird seit 2009 vergeben. Das DGNB-Zertifikat ist dabei als gemeinsames Projekt des heutigen Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und der namengebenden Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gestartet.


Mit einem eigenen Zertifizierungssystem sollten unter anderem die Anforderungen deutscher Normen und Regelungen stärker in die Qualitätskriterien einfließen. Wie bei BREEAM und LEED wird auch hier die Gesamtperformance eines Gebäudes über den ganzen Lebenszklyus bewertet.

Logo DGNB

Was wird bewertet?

Das DGNB-Zertifizierungssystem bietet Varianten für verschiedene Gebäudetypen und Nutzungen. Für Neubau, Sanierung, Bestandsgebäude und Rückbau gibt es daher ebenso angepasste Zertifizierungen wie für Wohn-, Büro-, Geschäfts- oder Logistikbauten.

 

Das System beruht auf 6 Kriterien:

 

Ökologische Qualität
Ökonomische Qualität
Soziokulturell-funktionale Qualität
Technische Qualität
Prozessqualität
Standortqualität

Wie wird bewertet?

Ähnlich wie bei anderen führenden Zertifizierungssystemen vergibt auch das DGNB-Verfahren Punkte für die einzelnen Kriterien, die zu einem Prozentsatz addiert werden.

 

Es können vier verschiedene Stufen erreicht werden:
Bronze
Silber
Gold
Platin

 

Darüber hinaus gibt es zusätzliche Auszeichnungen wie DGNB Diamant für außergewöhnlich hohe architektonische Qualität, DGNB „Klimapositiv“ und die DGNB Sonderauszeichnung „Umweltzeichen“.



Die Zertifizierungen haben unterschiedliche Schwerpunkte, selbst wenn sie das Thema Nachhaltigkeit umfassend behandeln. Viele Systeme beurteilen sogar nur Teilaspekte und sind spezialisiert auf Baumaterialien oder Gesundheitsfragen.


Deshalb sollte das Zertifizierungssystem immer zu den speziellen Anforderungen von Standort, Entwurf und eigenen Nachhaltigkeitszielen passen – und nicht umgekehrt.