Bidirektionales Laden: wie zwei Schlüsselmärkte zum Wechsel ermuntern

Gesetze, Trends und der Weg in die Zukunft für saubere Energie in den USA und Europa.
bidirectional_charging

Damit bidirektionales (BiDi) Laden sein volles Potential entfalten kann, ist unterstützende Gesetzgebung dringend nötig. Regierungen und Behörden müssen dazu einen neuen Gesetzesrahmen schaffen. Dieser sollte die Einstiegshürde senken und sowohl Fahrer als auch Energieversorger dazu ermuntern, BiDi Systeme anzunehmen.

Man könnte hier zum Beispiel finanzielle Anreize zur Installation eines BiDi Ladegeräts bieten, neue Gebührenmodelle oder sogar direkte Rückvergütungen für in das Netz eingespeisten Strom in Betracht ziehen. Ohne diese Anreize wäre der zusätzliche Nutzen für Fahrer und Energieversorger geschmälert und eine weitreichende Akzeptanz schwieriger. Ein intelligenter Gesetzesrahmen dagegen kann dabei helfen, BiDi Systeme lückenlos in die schon existierende Infrastruktur einzubetten. So können sie ihr volles Potential zur Stabilisierung von Stromnetzen entfalten und den Verbrauch erneuerbarer Energien unterstützen.

Untenstehend schauen wir uns die Richtung an, die die Gesetzgebung in zwei der wichtigsten BiDi Märkte – Europa und die USA – zur Zeit nimmt. Wir stellen auch einige Ideen zur Förderung einer weitreichenden Annahme dieser Technologie vor.


Was ist bidirektionales Laden und warum ist es für ein grüneres Stromnetz wichtig?

Mit bidirektionaler (BiDi) Ladetechnik kann Strom von E-Autos (EVs) in Gebäude oder direkt ins Netz gespeist werden. Somit kann ein mit BiDi ausgestattetes EV als mobiler Energiespeicher dienen. Verbreitete Arten des BiDi sind z.B. “Vehicle to Grid“ (V2G), „Vehicle to Home“ (V2H) oder „Vehicle to Everything“ (V2X). V2G kann beispielsweise dazu beitragen, das Stromnetz zu stabilisieren, indem es in den Zeiten größter Nachfrage Strom einspeist. Es kann auch nicht benötigten Strom speichern, der sonst verloren ginge. Etwas kleiner angelegt, kann das V2H System dazu beitragen, dass Häuser mit Photovoltaikanlage noch netzunabhängiger werden. In Anbetracht dieser Tatsachen, hat BiDi das Potential, E-Fahrzeuge zum integralen Teil eines erneuerbaren Energienetzes werden zu lassen. Außerdem kann es dabei helfen, die unzuverlässige Stromerzeugung durch Wind und Solar abzufedern. Richtig angewendet, kann BiDi den Stromverbrauch optimieren, zur Netzstabilität beitragen und den Eigentümern von E-Fahrzeugen finanzielle Vorteile bieten.

Mehr zum bidirektionalen Laden


EU-Gesetzgebung zu bidirektionalem Laden:  Regulierungen, Anreize und Auswirkungen

Im Zuge von EU-Initiativen wie dem „Fit for 55“ Paket, wird innerhalb der Union bidirektionales Laden vom Gesetzgeber zunehmend unterstützt.

Das Paket zielt darauf, bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen der EU um 55% zu mindern und sorgt dafür, dass die Integration von erneuerbaren Energiequellen in die Transportinfrastruktur leichter wird.  
Das Europäische Parlament in Straßburg

BiDi wird hier zur Balance von Energieangebot und -nachfrage vorgeschlagen. Insgesamt bewegen sich EU-Regulierungen generell dahin, die Annahme von BiDi beispielsweise durch niedrigere Eintrittsschwellen zu erleichtern. Die genauen Vorschriften können sich allerdings in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterscheiden.

Länder wie Deutschland gehen schon konkrete Schritte. Hier hat die Regierung im September 2023 neue Subventionen für die BiDi Infrastruktur eingeführt. Diese sollen die finanzielle Belastung mindern, die mit dem Einrichten von BIDi-kompatiblen Systemen einhergehen und so Konsumenten ermuntern, mitzumachen. Allerdings gibt es weiterhin Barrieren, wie z.B. die limitierte Verfügbarkeit von BiDi-fähigen Wallboxen oder Doppelbesteuerung. Mancherorts wird ins Netz rückeingespeister Strom nämlich zweimal besteuert: bei der Abnahme und der Abgabe. In Deutschland wird daran gearbeitet, diese Steuergesetze zu anzupassen, damit BiDi finanziell attraktiver wird. Diese Dinge bleiben aber neues, unbekanntes Terrain für die Politik und das Koalitionspapier der Regierung erwähnt BiDi nur kurz, ohne ins Detail zu gehen.

Dänemark treibt Maßnahmen zur Integration von Elektrofahrzeugen in sein Windenergienetz voran, wie das Parker-Projekt zeigt. Hier haben Elektroautos verschiedener Hersteller ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, das Netz während der Windspitzenproduktion zu unterstützen. 

In den Niederlanden ist die Initiative "Living Lab for Smart Charging" ein wichtiger Schritt nach vorn. Das Projekt ist darauf ausgerichtet, das gesamte Land in ein Testgelände für intelligentes Laden zu verwandeln. Dabei liegt der Schwerpunkt auf BiDi-Technologien und der Maximierung der Nutzung erneuerbarer Energien. 

Ein bemerkenswertes Pilotprogramm kommt mit EV-elocity aus dem Vereinigten Königreich. Hier arbeiten mehrere Partner aus Industrie und Wissenschaft zusammen, um die V2G-Technologie in verschiedenen Bereichen zu testen. Es konzentriert sich auf die private und gewerbliche Nutzung und steht im Einklang mit den Netto-Null-Emissionszielen des Landes.
 

Wie die Gesetzgebung in den USA Vehicle to Home (V2H) und BiDi in Fahrt bringt

Durch Initiativen des Bundes und der Bundesstaaten hat sich die Rechtslage für das bidirektionale Laden in den Vereinigten Staaten verbessert. Die derzeitige Regierung hat Standards für ein nationales Netz zum Laden von Elektrofahrzeugen vorgelegt. Dies signalisiert eine starke Unterstützung für die EV-Infrastruktur und BiDi.

Das Informationsblatt der Biden-Harris-Regierung zeigt die Bemühungen um eine Standardisierung der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Die General Services Administration (GSA) ist aktiv an der Erprobung von EV-Ladeinnovationen, einschließlich BiDi, beteiligt. Diese Initiative, die in Zusammenarbeit mit dem Energieministerium durchgeführt wird, zeigt das Interesse an der Erkundung von BiDi als Teil einer breiteren nationalen EV-Infrastruktur.

Die Richtlinien des National Electric Vehicle Infrastructure (NEVI) Programms für die Verwendung von Bundesmitteln für die Ladeinfrastruktur könnten möglicherweise BiDi-spezifische Regelungen enthalten. Die Betonung koordinierter Bundesmaßnahmen, wie die Einrichtung eines gemeinsamen Büros für Energie und Verkehr, signalisiert eine zunehmende Unterstützung für Lösungen wie BiDi.

In einem bahnbrechenden Schritt hat Kalifornien einen Gesetzesentwurf eingebracht, der bis 2027 die bidirektionale Aufladung für alle batteriebetriebenen Elektrofahrzeuge vorschreibt. Der Gesetzentwurf wird von The Climate Center und über 60 Umweltgruppen unterstützt. Er zielt darauf ab, die für 2030 prognostizierten acht Millionen Elektroautos auf kalifornischen Straßen als Quelle für abschaltbaren Strom zu nutzen.

Dies würde das Netz für erneuerbare Energien in Kalifornien erheblich unterstützen. Mit dem Gesetz wurde ein umfassender Überprüfungsprozess in Gang gesetzt. Im Rahmen dieses Prozesses wird eine Arbeitsgemeinschaft von Interessengruppen Kosten, Nutzen und Interoperabilität von BiDi untersuchen. Sie soll bis Januar 2025 einen Bericht vorlegen.

Ein Elektroauto lädt an einer Ladestation

Bei einer möglichen Verabschiedung des Gesetzes müssten die Hersteller zwingend V2G-fähige Autos anbieten. Der Nissan Leaf ist derzeit das einzige vollständig V2G-fähige Auto, das in den USA erhältlich ist. Der neue Gesetzentwurf des Bundesstaates kommt zusammen mit anderen ehrgeizigen Vorschriften für saubere Fahrzeuge, wie der Advanced Clean Fleets-Regelung. Zusammen verstärken diese Vorschriften die Rolle Kaliforniens als Trendsetter in der Umweltpolitik und bei der Integration von Elektrofahrzeugen. Als einer der größten Automärkte der Welt wirken sich die kalifornischen Gesetze oft auch auf den gesamten US-Automarkt aus. Dies wiederum wirkt sich auf die Autohersteller weltweit aus.


Subventionen und Regulierungen für verbesserte BiDi Ladeinfrastruktur und Vehicle-2-Grid (V2G) Erfolg: 

Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) hat in einem Positionspapier die Zukunft der Ladeinfrastruktur in Deutschland und Europa diskutiert. Die potentielle Rolle, die BiDi bei der Entlastung des Stromnetzes spielen kann, wird darin hervorgehoben. Der VDA setzt sich dafür ein, einen geeigneten Gesetzesrahmen für BiDi zu finden. Zur Nutzungsregulierung schlägt er dynamische Netzpreise und eine unabhängige Definition von “mobilen Speichern“ vor. Das Papier betont auch, dass BiDi sehr nützlich ist, um Einspeisespitzen erneuerbarer Energien auszubalancieren und so das Stromnetz effizienter zu gestalten. Zieht man den Einfluss Deutschlands im globalen Automotiv- und Energiesektor in Betracht, könnten dieser Leitfaden eine Blaupause für BiDi in anderen Ländern werden.


Der Weg zur weltweiten Einführung von BiDi hängt von der globalen Zusammenarbeit und von gemeinsamen Normen ab. Lokale und nationale Bemühungen können als starke Katalysatoren wirken. Das wahre Potenzial von BiDi kann jedoch nur dann ausgeschöpft werden, wenn es einen universellen Satz von Normen für Automobilhersteller, Energieversorger und Regierungen gibt. Grenzüberschreitende Funktionalität bedeutet ein reibungsloseres Nutzererlebnis und kann somit Investitionen in BiDi fördern. In einer Welt, die erneuerbare Energien und stabile Netze braucht, könnten globale BiDi-Normen dazu beitragen, die Energienutzung zu harmonisieren und den Übergang zu umweltfreundlichen Verkehrs- und Energiesystemen zu beschleunigen.


Eine Frau steht neben einem aufladenden Elektroauto

Die Zukunft von BiDi: Gesetzgebung, Regulierungen und wachsende Märkte

Während wir uns Richtung Zukunft bewegen, scheinen sowohl das Europäische als auch das US amerikanische Umfeld BiDi-freundlicher zu werden. Gesamteuropäische und nationale Initiativen in der EU und Amerikanische bundes-, bzw. staatenweite Aktionen – hier vor Allem in Kalifornien – schaffen ein günstigeres Umfeld.

Damit BiDi allerdings populärer werden kann, müssen diese Vorschriften handfesten Nutzen für Fahrer bieten. Grenzüberschreitende Kompatibilität ist unbedingt nötig. So müssen zum Beispiel Europäische Regeln Energieflexibilität fördern. Das würde bedeuten, dass Solarenergie, die in Deutschland erzeugt wurde, in den französischen Energiemarkt eingespeist werden kann. Auch in den USA ist bundesstaatenübergreifend ähnliche Funktionalität ebenso grundlegend wichtig. Gesetzgeber sollten überlegen, wie man Subventionen, Steuervorteile oder Rückzahlungen einsetzen könnte, um die Nutzung von BiDi populär zu machen. Solch eine Ansatz wird die nahtlose Integration fördern und gleichzeitig die Funktionalität und die Attraktivität von BiDi wachsen lassen.

Fiskalische Anreize und internationale Standards sind unabdingbar, um die vollen Möglichkeiten von BiDi auszureizen. Derartige Kooperation wird den Weg für eine weitreichende Nutzung bereiten und so BiDi zu einer Schlüsselkomponente eines nachhaltigen und resilienten Energiesystems machen.


Wollen Sie mehr erfahren?