Cubyko Leaf: Wie lässt sich recycelter Kunststoff integrieren, ohne die Produktleistung zu beeinträchtigen?
03. October 2025
Die 2024 eingeführte Produktreihe Cubyko Leaf besteht zu 27 bis 32 Prozent aus recyceltem Kunststoff. Dieser wird aus Kunststoffabfällen hergestellt, die an den Küsten Indonesiens und Thailands gesammelt wurden. Aber wie kam es zu einer solchen Initiative? Patricia Lamouche, Leiterin des Bereichs Material Engineering und Mitglied des EUREKA-Programms als Senior Expertin für Materialwissenschaften, erzählt die Geschichte dieses außergewöhnlichen Projekts.
Wie kam es zu diesem Projekt?
Die Idee entstand Anfang 2022 auf eher ungewöhnliche Weise: Während wir normalerweise auf Marktbedürfnisse reagieren, ging die Initiative tatsächlich vom Sponsoring-Team der Hager Group aus. Im Rahmen unserer Partnerschaft mit Fabrice Amédéo, einem Segler, der sich aktiv für den Kampf gegen den Klimawandel und die Verschmutzung der Ozeane einsetzt, wollten wir sein Engagement unterstützen, indem wir ein umweltfreundlicheres Produkt für die Vendée Globe 2024 auf den Markt brachten. Dieser besondere Rahmen fiel bereits aus dem traditionellen Prozess heraus, und es war notwendig, innerhalb von Hager Stakeholder zu identifizieren, die das Projekt unterstützen.
Welche Rolle hatten Sie als Materialexpertin zu Beginn des Projekts?
Der erste Schritt bestand darin, die technische Machbarkeit der Materialien zu bewerten. Dazu mussten wissenschaftliche Artikel analysiert und eine Marktstudie durchgeführt werden, um die Kunststoffarten in den Ozeanen und potenzielle externe Partner zu identifizieren. Anschließend haben wir bewertet, ob diese Kunststoffe die technischen Anforderungen potenzieller Hager-Produkte erfüllen könnten. In Absprache mit den Entwicklungsleitern der Technikabteilung haben wir die Cubyko-Reihe als technisch geeignet eingeordnet.
Hat der besondere Projektrahmen die Entwicklungszeit beeinflusst?
Ja. Das Ziel war es, ein neues Produkt für die Vendée Globe 2024 vorzustellen, daher war der Zeitplan sehr eng. Wir mussten neue Arbeitsweisen finden, um den Zeitplan einzuhalten, was eine enge Zusammenarbeit zwischen vielen Abteilungen erforderte: Technik, Marketing, Einkauf, Industrialisierungs-Prozess, Produktion, Qualität, Nachhaltigkeit, Kommunikation und Märkte. Vor dem offiziellen Projektstart wurde eine Vorab-Studie der Materialien durchgeführt.
Was umfasste die Vorab-Studie der Materialien?
Nachdem der Projektumfang definiert war, brauchten wir externe Partner für die Entwicklung des Materials. Als Materialexperte ist ein starkes wissenschaftliches und industrielles Netzwerk unerlässlich, um zuverlässige Partnerschaften aufzubauen. Zusammen mit Kollegen aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Einkauf nutzten wir unser Netzwerk, um einen Lieferanten zu finden, der die technischen und ökologischen Herausforderungen des Projekts bewältigen konnte. So kamen wir auf Plastic Bank, deren industrieller und sozialer Ansatz uns sofort beeindruckte.
Nach der Auswertung der technischen Daten des vorgeschlagenen Materials holten wir ein Muster ein und führten eine gründliche Charakterisierung durch: physikalisch-chemische Analysen, thermisches Verhalten, mechanische Festigkeit. Diese Vorab-Studie ergab, dass das zu 100 % recycelte Post-Consumer-Material Social Plastic® von Plastic Bank unsere technischen Anforderungen nicht erfüllen würde. Wir brauchten daher einen zweiten Partner, um die finalen Eigenschaften des Materials zu verbessern.
In dieser Phase begannen wir die Entwicklung zusammen mit Avient, einem langjährigen Lieferanten der Hager Group. Dank ihrer Formulierungsarbeit konnten wir 50 Prozent recyceltes Material von Plastic Bank integrieren, was 27 bis 32 Prozent des gesamten Cubyko Leaf-Produkts ausmacht, und dabei unsere technischen Spezifikationen vollständig erfüllen.
Wie unterscheidet sich dieses Projekt von bisherigen Entwicklungen?
Abgesehen von den engen Terminvorgaben zeichnete sich dieses Projekt dadurch aus, dass Umweltziele mit Leistungsanforderungen in Einklang gebracht werden mussten. Die Suche nach einem Lieferanten für recyceltes Material und anschließend nach einem zweiten Partner, der bereit war, die Eigenschaften des Materials an die technischen Anforderungen von Hager anzupassen, war ein völlig anderer Ansatz als unsere übliche Vorgehensweise. Um unser Ziel zu erreichen, 50 % recycelten Kunststoff in das Gehäuse zu integrieren und dabei die gleiche Leistung wie bei anderen Cubyko-Produkten zu gewährleisten, mussten wir uns neuen Herausforderungen stellen.
Was waren die größten Herausforderungen?
Die Verwendung dieses recycelten Kunststoffs aus dem Meer sorgte für eine einzigartige Komplexität. Denn dieser Kunststoff wird aus Plastik gewonnen, das innerhalb von 50 Kilometern vor den Küsten gesammelt wird. Hinzu kam eine dreiseitige Partnerschaft aus neuen und bekannten Partnern. Die Aufgeschlossenheit, das Fachwissen und die Reaktionsfähigkeit von Plastic Bank und Avient erleichterten den Prozess jedoch erheblich.
Wie hat die Hager Group diese Herausforderungen gemeistert?
Der Schlüssel lag in der Auswahl der richtigen Partner, die mit unseren Werten und Zielen übereinstimmen. Plastic Bank spielte eine entscheidende Rolle und bot einen einheitlichen Ansatz mit starker sozialer Wirkung: Sammlung von Kunststoffabfällen aus gefährdeten Küstengebieten in Entwicklungsländern, um die Plastik-Verschmutzung der Ozeane zu bekämpfen und gleichzeitig die Sammler mit sozialen Leistungen (Schulmaterial, verbesserte Gesundheitsversorgung usw.) zu unterstützen. Diese Partnerschaft stärkte auch die menschliche und soziale Dimension des Projekts. Dennoch erfüllte das zu 100 % recycelte Post-Consumer-Material nicht vollständig unsere technischen Anforderungen. Daher arbeiteten wir mit Avient zusammen, ein innovativer Anbieter von Materiallösungen, die das Material an unsere Spezifikationen anpassten. Ihr Beitrag war entscheidend für den Erfolg des Projekts.
Wichtige Erkenntnisse und Empfehlungen für zukünftige Projekte:
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass eine Voruntersuchung der Materialien von entscheidender Bedeutung ist, um die Übereinstimmung mit den technischen Anforderungen und Zeitplänen sicherzustellen. Darüber hinaus ist es im Rahmen eines Kreislaufwirtschaftsansatzes unerlässlich, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die eine gemeinsame Vision teilen und die Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Leistung verstehen. Dies ebnet den Weg für neue Formen der Zusammenarbeit, die zukünftig voraussichtlich zunehmen werden.
Über Patricia Lamouche:
Patricia ist seit 2007 Mitarbeiterin der Hager Group und bringt wertvolles Fachwissen im Bereich Materialwissenschaften mit. Sie leitet ein Team, das auf Kunststoff- und Metallwerkstoffe spezialisiert ist und andere Teams bei der Untersuchung, Auswahl und Analyse von Materialien unterstützt. Die Forschung zu Materialien mit geringerer Umweltbelastung ist ein zentraler Bestandteil ihrer Aufgaben.
