17.01.2023

Deutsche Haushalte: Komplett unter Strom?

 

Die Ziele der Energiewende sind hochgesteckt: Was hindert die deutsche Wohnungswirtschaft daran, sie zu erreichen? Norbert Röhl, Experte der Hager Group, bewertet den deutschen Wohnungsmarkt, der mitten in der Energiewende steckt, und forscht nach Lösungen.

 

Weltweit wird immer deutlicher, wie wichtig der Schutz unserer Umwelt ist. Regierungen suchen nach Möglichkeiten, um fossile Brennstoffe und „schmutzige“ Energiequellen abzuschaffen. Eine Folge ist die Umstellung auf nachhaltige elektrische Energie, die sich immer mehr verbreitet. Diesen Bereich führt Deutschland weltweit an und setzt ein Programm für die Energiewende um. Die internationalen Märkte beobachten die Entwicklung aufmerksam. Aber trotz dieser Führungsposition nimmt der Druck in Deutschland zu, die Wende zu beschleunigen, um beispielsweise unabhängiger von Erdgas zu werden.

 

Die Zukunft ist elektrisch

In Deutschland stehen derzeit rund 19,25 Millionen Wohngebäude1. Die Energie für Wärme und Warmwasser in diesen Gebäuden beläuft sich auf 27 Prozent (633 TWh/a) des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland. Sie verursacht 18 Prozent der gesamten CO2-Emissionen des Landes (132 Mio. t CO2e). Dabei ist es wichtig zu wissen, dass 60 Prozent der Wohngebäude in Deutschland vor dem Jahr 1979 gebaut wurden. Die deutsche Wärmeschutzverordnung gab es damals noch nicht. Diese Altbauten benötigen bis zu viermal so viel Energie für das Heizen wie Neubauten. Folglich haben die Bestandsgebäude das größte Potenzial, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Die Politik fördert die Modernisierung dieser Gebäude besonders.

 

Hintergrund: Der deutsche Wohnungsmarkt

Der deutsche Wohnungsmarkt teilt sich in Neubauten und Bestandsgebäude. Diese Gruppen werden weiter segmentiert in Ein-/Zweifamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser. Staatliche Statistiken und Lösungen von Unternehmen nutzen diese Gruppierung.

 

Der Bereich Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern ist in Bezug auf grüne Energie am weitesten fortgeschritten. Dieses Segment profitiert von der Energie aus Photovoltaik, Energiespeichern und Wärmepumpen. Erfahrungen mit dem „Passivhaus“ und anderen Bauweisen, die den Energieverbrauch senken, fließen in die Neubauten ein. Diese haben meist einen sehr hohen Standard. Die Zeit ist auch günstig für die Modernisierung älterer Häuser, denn es stehen viele gute Technologien bereit. Dazu gibt der Staat Anreize, damit Lösungen mit regenerativen Energien eingesetzt werden. Die regulatorischen und organisatorischen Hürden werden weniger.


Etwa 80 Prozent der bestehenden Wohngebäude in Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Der Rest sind Mehrfamilienhäuser, also Gebäude mit drei oder mehr Wohnungen2. Das Potenzial für Energie- und CO2-Einsparungen ist bei diesen Mehrfamilienhäusern groß: Ihre Bauweise bleibt hinter den Ein- und Zweifamilienhäusern zurück und die verfügbaren Lösungen hinken hinterher. 


Deutschland will bis zum Jahr 2045 CO2-neutral werden. Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, müssen weitere Mehrfamilienhäuser mit regenerativer, elektrischer Energie versorgt werden. Auch die EU-Kommission erhöht den Druck und will eine Sanierungspflicht für Gebäude mit schlechter Energieeffizienz bis 2033 durchsetzen. Wenn Mehrfamilienhäuser die Vorgaben nicht erfüllen, dürfen ihre Eigentümer die Wohnungen möglicherweise nicht mehr vermieten.

 

Hürden bei der Sanierung von Mehrfamilienhäusern

Isolierung und Wasserverbrauch sind sehr wichtige Faktoren für den Energieverbrauch. Wir aber fokussieren uns hier auf die elektrische Modernisierung von Mehrfamilienhäusern. Der erste Schritt betrifft die elektrische Infrastruktur in Bestandsgebäuden: Ihre Modernisierung ist die Voraussetzung, um die Energieerzeugung und -verteilung in den Gebäuden sowie den Einsatz von modernem Energiemanagement umzusetzen. Dies muss geschehen, bevor Systeme für Photovoltaik- (PV), Energiespeicher- oder Wärmepumpen installiert werden. Intelligente Zähler und offene Schnittstellen können Mietern und Eigentümern helfen, den Energieverbrauch und mögliche Einsparungen in Echtzeit zu verfolgen. 

 

Aktuell können Eigentümer von Mehrfamilienhäusern auf regulatorische Hürden stoßen, wenn sie den Strom einer PV-Anlage an ihre Mieter verkaufen wollen, statt sie ins Netz zu speisen. Aber der rechtliche Rahmen soll in Deutschland angepasst werden, so dass dies einfacher möglich ist. Obwohl wir erst am Anfang stehen, helfen einige PV-Anbieter den Gebäudeeigentümern bereits mit dem so genannten „Mieterstrommodell“, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Die Wohnungswirtschaft muss sich jetzt für eine Option entscheiden: Will sie ein neues, eigenes Geschäftsmodell aufbauen oder sich auf externe Dienstleister verlassen? Der Markt ist gerade sehr agil. Ihn prägen neben den bestehenden Dienstleistern vor allem Start-ups.

 

Technologien für Mehrfamilienhäuser hinken hinterher

Für die Ein- und Zweifamilienhäuser sind viele Lösungen für die Energiespeicherung verfügbar. Für Mehrfamilienhäuser zeichnet sich großes Potenzial ab: Unternehmen wie die Hager Group haben schon sehr fortschrittliche Lösungen entwickelt und arbeiten weiter an ihnen. Eine dieser Lösungen ist beispielsweise in einem 10-Parteien-Mehrfamilienhaus in der Schweiz im Einsatz. E3/DC-Produkte versorgen das Gebäude zu rund 60 Prozent mit Energie. 

 

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Wenn Mehrfamilienhäuser erst einmal modernisiert sind, kann Energie auch quartiersnah erzeugt werden. Die Umsetzung kann mit den Erfahrungen der Pilotprojekte erfolgen. Die lokalen Netze werden intelligent und integrieren das wachsende Solarangebot aus dem Privatbereich, die Energieerzeugung aus Windkraft und vor allem Elektromobilität. Wir brauchen dazu Tarife, die diese Flexibilität fördern und nicht behindern.


Intelligente elektrische Lösungen sind auf dem deutschen Wohnungsmarkt stark nachgefragt. Doch es fehlt derzeit an Rohstoffen und Fachkräften für die Produktion, somit auch an in Deutschland oder Europa produzierten PV-Lösungen. Generell werden auf dem Weltmarkt Lösungen für Energiespeicher, die eine für Mehrfamilienhäuser ausreichende Leistung bringen, stärker nachgefragt als sie verfügbar sind. Natürlich benötigen wir noch staatliche Anreize, aber dieses Problem von Angebot und Nachfrage muss unbedingt überwunden werden.

 

Vielversprechende Aussichten für den Markt

Trotz der genannten Hürden werden die PV-Energieerzeugung, die Energiespeicherung und Wärmepumpen für Mehrfamilienhäuser weiter zunehmen. Ein starker Treiber ist das Ziel der deutschen Regierung, die CO2-Emissionen bis 2035 um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Der Plan der Bundesregierung sieht auch vor, dass ein großer Teil dieser Energie mit Hilfe von PV- und Wärmepumpenlösungen in Gebäuden erzeugt werden soll. Dies erfordert Energiespeicherlösungen.

 

Folglich kann der deutsche Markt in den kommenden Jahren mit einer groß angelegten Einführung dieser Technologien rechnen. Dies bedeutet auch, dass die Hersteller von Lösungen für Wohngebäude ihre Produktion schnell anpassen müssen, um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden. Hersteller, die sich nicht von Technologien abwenden können, die auf fossilen Brennstoffen basieren, werden kontinuierlich Marktanteile verlieren. Die Verbraucher werden ältere Technologien nicht mehr kaufen. Glücklicherweise sind viele Lösungen für saubere Energie - wie diese - bereits für Ein- und Zweifamilienhäuser erhältlich, und Anwendungen für Mehrfamilienhäuser sind in greifbarer Nähe. 

 

1Alle Statistiken basieren auf: D. Walberg, T. Gniechwits, K. Paare, T. Schulze. (2022). Studie zum 13. Wohnungsbautag 2022 und Ergebnisse aus aktuellen Untersuchungen Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V.

2D. Walberg, T. Gniechwits, K. Paare, T. Schulze. (2022). Studie zum 13. Wohnungsbautag 2022 und Ergebnisse aus aktuellen Untersuchungen Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V.


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