Interview zur kollektiven Intelligenz

Die Philosophin Eugénie Vegleris und der Chief Group Human ­Resources Officer Franck Houdebert sprechen über Bildung und Schulungen.

Im Gespräch: Eugénie Vegleris und Franck Houdebert

Wir werden mehr kollektive Intelligenz brauchen

Akademische Ausbildung, Berufe von morgen und künstliche Intelligenz: Die Philosophin Eugénie Vegleris und der Chief Group Human Resources Officer der Hager Group, Franck Houdebert, diskutieren über Bildung und Training im Unternehmen.

Aus Sicht der Philosophin und des HR-Managers: Wie sollte Wissen heute erworben werden?

Eugénie Vegleris: Von ihren Kritikern hört man oft, dass die akademische Ausbildung zu fragmentiert und kleinteilig sei, mit zu vielen „Silos“. Montaigne schrieb, dass die Erziehung der Kinder vor allem ihren Geist wecken sollte, den Geschmack und die Bereitschaft zum Lernen schaffen, damit sie frei denken und sich der ganzen Welt öffnen können. In der Philosophie gibt es einen Unterschied zwischen Wissen und Verstehen. Heute, angesichts des raschen gesellschaftlichen Wandels, ist Interdisziplinarität das neue Paradigma des Verstehens. Bildung allein reicht nicht mehr aus. Die großen Probleme sind übergreifend, international und mehrdimensional. Nur die Vermittlung von Wissen ermöglicht es, diese pluralistische Dimension zu verstehen und die zeitgenössischen Herausforderungen zu begreifen.

Franck Houdebert: Ich möchte dieser Idee etwas hinzufügen: Man braucht die akademische Ausbildung als Basis, auf der man sich in einem Unternehmen weiterentwickeln kann. Wenn man ein Fachgebiet beherrscht, hat man das wesentliche Werkzeug und Wissen, um sich in der heutigen Welt weiterzuentwickeln, indem man sich für andere Perspektiven öffnet. Komplexere Themen erfordern in jedem Fall auch mehr interdisziplinäre Perspektiven. In diese Richtung weist, dass es immer mehr Doppelstudiengänge gibt und Studiengänge, die zwei oder drei Disziplinen verbinden. Dies öffnet immer mehr Möglichkeiten für junge Menschen, die sich von den Schranken der klassischen Bildung befreien wollen. Sie wollen ihre Neugier befriedigen und dem Drang folgen, die Dinge wirklich zu verstehen. Nehmen wir unsere Elektriker aus der Forschung und Entwicklung als Beispiel: Sie entwickeln Lösungen und beziehen in ihre Designstudien andere Fachkenntnisse ein, etwa Ergonomie für die Produktion oder Anwendungswissen für die Installation und Bedienung. Technische Fachgebiete werden durch Geisteswissenschaften bereichert. Um die richtigen Entscheidungen für seine Organisation zu treffen, bedarf es nicht nur fachlicher Kompetenzen, sondern mehr denn je auch der Fähigkeit, sein Umfeld zu analysieren und zu verstehen. Bei der Hager Group ist die Weltoffenheit, die Fähigkeit, mit anderen in Verbindung zu treten, ein Beispiel für die Verhaltensweisen, die wir weiter entwickeln wollen. Anpassungs- und Antizipationsfähigkeit sind Schlüsselfaktoren für Erfolg und Resilienz. Wir brauchen also Mitarbeiter, die Veränderungen mitmachen, resilient sein und Unsicherheit managen können.

Franck Houdebert
Anpassungsfähigkeit und die Begabung, Veränderungen zu bewältigen, sind Schlüsselfaktoren für Erfolg und Widerstandsfähigkeit. Das bedeutet, dass wir Mitarbeiter brauchen, die belastbar sind und mit einem sich verändernden Umfeld sowie Unsicherheit umgehen können.

Welche Fähigkeiten sollten die Menschen Ihrer Meinung nach weiter entwickeln?

Eugénie Vegleris: Sobald man in ein Unternehmen eintritt, hört es auf, mit dem rein Akademischen. Dann muss man lernen, sich zu „entspezialisieren“, sich von Bekanntem zu lösen, sich für neue Welten zu öffnen und das Unbekannte zu erforschen. Ich für meinen Teil würde nicht von „Fertigkeiten“ sprechen, sondern von „Fähigkeiten“. Entscheidend sind Neugier, Großzügigkeit, der Wille zu kooperieren und sich mit anderen Standpunkten als dem eigenen auseinanderzusetzen: Mit einem kritischen Geist und einer klaren Sicht erkennen wir Schwachstellen und können konstruktiv werden, um sie zu schließen oder um Neues zu schaffen. Man sollte in der Lage sein, Abstand zu vermitteltem Wissen zu nehmen. Teil eines Unternehmens zu werden bedeutet, seine eigenen Errungenschaften zu hinterfragen, Bescheidenheit und Offenheit zu zeigen. In einem dynamischen Unternehmen wie der Hager Group, gehen die Probleme und die zu entwickelnden Lösungen weit über die Elektrik hinaus. Die Berufsausbildung zielt immer mehr darauf ab, Folgendes zu fördern: situative Intelligenz, die Fähigkeit zuzuhören und Beziehungen zu schaffen – zu anderen Bereichen, anderen Berufen, anderen Personen.

Franck Houdebert: Bei der Hager Group sind wir überzeugt, dass jeder Mensch die Kontrolle über seine eigene berufliche Entwicklung hat. Ein Unternehmen sollte ein Umfeld schaffen, das diese Entwicklung ermöglicht. Diese Ansätze und Lernprozesse finden in Unternehmen statt, die sich zunehmend horizontal organisieren und die ein Netzwerk mit ihren Kunden, Lieferanten, Schulen und Universitäten bilden. In diesem Kontext verändern sich die Aufgaben von Managern. Sie sind nicht mehr Planer und Aufgabenverteiler, sondern sie unterstützen Arbeit, setzen Impulse und koordinieren. Die Manager haben sich von Machtmenschen zu Führungskräften entwickelt, die eine kollektive Dynamik fördern. Diese Entwicklung wurde durch die Pandemie und das mobile Arbeiten verstärkt. Doch menschliche Interaktion und Teamarbeit sind durch nichts zu ersetzen. Mit der Entwicklung neuer Technologien werden wir zunehmend auf kollektive Intelligenz angewiesen sein.

Wir sind ein lernendes Unternehmen, das die Eigeninitiative fördert, um Veränderungen besser zu bewältigen.

Franck Houdebert
Chief Group Human Resources Officer

Gerade die künstliche Intelligenz entwickelt sich rasant. Sie wirkt sich schon auf die allgemeine und berufliche Bildung aus. Was denken Sie darüber?

Eugénie Vegleris: Was als künstliche Intelligenz bezeichnet wird, ist eine Revolution, wie es auch die Schrift und der Buchdruck waren. Diese beiden technischen Erfindungen waren entscheidend für die Kommunikation und den Wissensfortschritt. Sie lösten eine anthropologische Revolution aus – sie veränderten das Verhältnis der Menschen zur Welt, zueinander und zu sich selbst. So kann das berühmte ChatGPT, dessen Einfluss von vielen gefürchtet wird, ein großartiges Informations- und Lerninstrument sein. Das Neue ist immer zu hinterfragen und zu integrieren. Man sollte es nicht ablehnen. Am wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass die Technologie im Dienste der Menschheit stehen sollte. Die Gefahr ist nicht der Roboter, sondern die Robotisierung des Menschen und seine mögliche Unfähigkeit, sich von einer zunehmend automatisierten und künstlichen Umgebung zu distanzieren. Wenn wir uns zu sehr auf einen technisch-technologischen Ansatz verlassen, laufen wir Gefahr, unsere Fähigkeit zur Analyse, zum Zuhören und zur Selbstreflexion zu verlieren. So weit sind wir nicht, aber die Entwicklung der künstlichen Intelligenz erfordert zwangsläufig eine philosophische, ethische und politische Reflexion über den Sinn, der ihr gegeben werden soll – eine Reflexion, die zu ihrer Regulierung führt.

Franck Houdebert: Der technische Fortschritt bringt neue Möglichkeiten mit sich, und die künstliche Intelligenz sollte dem Menschen dienen. Um dies zu erreichen, muss in Unternehmen und Schulen eine Pädagogik der Technologie entwickelt werden. In diesem Zusammenhang bleibt der kritische Geist mehr denn je unverzichtbar für uns. Die künstliche Intelligenz ermöglicht bereits Fortschritte in den Lern- und Ausbildungsprozessen. Sie ist ein Wissensbeschleuniger und eine unglaubliche Chance, wenn man über die Fähigkeit verfügt, einen Schritt zurückzutreten. Mit Blick auf die sich schnell verändernden Technologien und Methoden wird unsere Fähigkeit, uns an diese Technologien anzupassen und im Laufe unserer Karriere zu lernen, den Unterschied machen. Wir verfolgen bei der Hager Group das Prinzip eines lernenden Unternehmens, um die Fähigkeit zu entwickeln, unser kollektives Wissen sowie individuelle und gemeinsame Initiativen zu kapitalisieren. Wir möchten Empowerment in unseren Organisationen greifbar machen.

Die Philosophin Eugénie Vegleris arbeitet seit vielen Jahren mit der Hager Group zusammen.

Sobald man in ein Unternehmen eintritt, hört Wissen auf, akademisch zu sein. Dann muss man lernen, einen neuen Blick einzunehmen und sich von Bekanntem zu lösen.

Eugénie Vegleris
Unternehmensphilosoph

Ausbildung hat schon immer Spitzenleistungen gefördert und ist ein Motor für Innovationen im Unternehmen. Was ist die Stärke des Modells der Hager Group?

Eugénie Vegleris: Nachdem ich mehrere Jahre mit der Hager Group zusammenarbeite, kann ich sagen, dass auf die Ausbildung viel Wert gelegt wird – auf die fachliche und auf die Führungskompetenz. Der Konzern fokussiert sich nicht nur auf die technische Ebene, sondern er entwickelt auch und vor allem einen menschlichen Ansatz. Dies ist Teil der DNA der Führungskräfte der Group, die sehr viel Wert auf die Entwicklung zwischenmenschlicher Beziehungen legen und die Entstehung gemeinsamer Vorstellungen. Dies begann mit den Gründern und wurde von Alfred Bricka und derzeit von Daniel Hager fortgesetzt, die beide eng mit dem Personalleiter zusammengearbeitet haben. Der Ansatz spiegelt sich in Partnerschaftsverträgen mit der Universität, aber auch in jährlichen Seminaren mit sehr unterschiedlichen, hochkarätigen Referenten. Ich hatte oft das Glück, selbst an Umfragen und Workshops zu Themen wie Innovation, Verantwortung, Kultur oder der Lücke zwischen aufgeschriebenen und gelebten Werten teilzunehmen. Ich konnte die intellektuelle Offenheit der Akteure im Unternehmen erleben. Was die Stärke der Hager Group ausmacht, ist genau diese Offenheit für Reflexion, die durch die freundliche Aufnahme des Anderen unterstützt wird, sei es ein Mitarbeiter, Kunde, Berater oder Partner. Alles wird getan, um gemeinsam an Entscheidungen zu arbeiten, Risikobereitschaft zu erproben und so das Vertrauen und das Engagement der Mitarbeiter zu stärken. Jeder ist nah an den verschiedenen Aspekten der Unternehmensentwicklung. Das ist ein lebendiger Kreislauf.

Franck Houdebert: Unser Ausbildungsmodell leitet sich von unseren Ursprüngen ab. Die Hager Group wurde nach dem Krieg gegründet. Seine Gründer waren Teil des Wiederaufbauprozesses in Europa, der sich auf die Bildung stützte, um nach den dunklen Jahren der Geschichte positive Werte zu vermitteln. Diese Überzeugungen begleiten uns auch heute noch. Wir bilden nicht nur Elektriker aus, sondern gleichzeitig Mitarbeiter eines Unternehmens und Weltbürger. Unsere Stärke ist, dass jeder sich in den Werten und der Kultur unseres Unternehmens wiedererkennen kann. So wie es unser Motto „gemeinsam lernen und wachsen“ verspricht. Dieses Engagement führt zu konkreten Maßnahmen: Dazu gehören unsere Hi!-Universität, unsere berufs- und fachspezifischen Akademien, unsere Fremdsprachen-Lernplattform, unsere TAI Community, die von und für Praktikanten und Auszubildende entwickelt wurde. Diese Maßnahmen veranschaulichen das Modell von morgen: Lerngemeinschaften, die sich gegenseitig bereichern, und dezentrale Ausbildung. Nicht zu vergessen die Events und die Kommunikation, mit denen wir Kollegen hervorheben, die ein Diplom oder ein Berufszertifikat erhalten. Dies setzt ein ganzes Ökosystem in Szene: die Mitarbeiter, ihre Tutoren, ihre Manager, die Sozialpartner und die externen Bildungseinrichtungen. Es entstehen kulturelle Gemeinschaften, in denen geteilt, diskutiert und unser Unternehmensprojekt vorangetrieben wird.

Die Hager Group möchte mit ihren Produkten und Lösungen zu einer Welt beitragen, die durch elektrische Energie sicherer, sauberer und besser für ihre Bewohner wird. Wir sind überzeugt, dass diese Ambition auf menschlicher Energie und der Entwicklung unserer Teams und Kollegen beruht.

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